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Leidlich
geübt im ausführen von Befehlen, von Natur aus nicht
sonderlich gefräßig, beschloss Janus, offenbar eine
Virusmissgeburt, den Text nicht zu löschen, sondern zu
lesen. Das Material, auf das er losgelassen wurde, sah nicht
gerade vielversprechend aus, ohne Absatz, Gliederung, und
vermutlich ohne konkretes Ziel, reihte sich da Dokument an
Dokument. Zuerst fand er ein Programm, welches der Autor
Gedicht nannte: Den Ist-Zustand feststellen, Raum aufnehmen,
Entwicklungen bewerten, Strategien verfolgen, Visionen
äußern, Da sein und erleben - Als Atlas der Wege, Als
Fahrtenbuch der Emotionen, Als Liebesbrief an die Natur, Als
Stoßgebet an die Politik, Als Kompass für den Alltag, Als
Buschmesser im Chaos. Dann folgten unendlich viele Zeilen
mit Worten, alle klein geschrieben und nur unzulänglich zu
Sätzen gefügt... Janus war neugierig geworden, er
beschloss den Befehl vielleicht erst später auszuführen...
Er war bei
einem Künstler gelandet, oder jedenfalls bei einem Wesen,
das anderen Menschen nicht durchsichtig erschien. Je
länger Janus in den Dokumenten wühlte, umso ratloser wurde
er bezüglich seiner Mission: zerstören oder mitnehmen? Da
gab es keine Verträge, allenfalls Entwürfe dazu, keine
Rechnungen mit hohen Stellenwerten, keine Transaktionen die
satte Gewinne versprachen, keine Wirtschaftsspionage, ja
nicht einmal politische Agitation. Hier schien es sich um
eine ungefährliche, um nicht zu sagen unbedeutende
Persönlichkeit zu handeln. Plötzlich klickte es, das
Dokument wurde geöffnet, in dem Janus gerade nachdenklich
blätterte. Brauchen sie Hilfe, fragte Janus , der
doppelgesichtige Computervirus und versuchte sich hinter dem
augenzwinkernden Büroklammerassistenten des Word 2000 zu
verstecken. Zuerst neugierig geworden, dann regelrecht
erschrocken, fragte er seine bessere Hälfte an der
Rückseite des Kopfes, ob er überhaupt noch als Virus
gelten könnte. Da rief der Poet, der soeben seine Dateien
geöffnet hatte: Scheiße, da habe ich schon wieder
vergessen zu speichern, jetzt fehlt die Pointe!
Janus war
fasziniert, denn mit Emotionalität hatte er so unmittelbar
noch keinerlei Erfahrungen gemacht. Der Typ nimmt wohl die
Schuld immer auf sich, das könnte sein Problem sein, dachte
Janus und machte es sich auf der Matte des schlauen
Assistenten bequem. Aus sicherer Umgebung beobachtete er nun
wie ein echter Mensch Daten eingab. L. A. hatte
offensichtlich Probleme mit Geschäftspartnern und Janus
begriff, dass er eingesetzt war um L. A. Ärger zu bereiten.
Janus überlegte kurz und machte sich dann bemerkbar. Er
ließ die Initialen L. A. wachsen und animierte sie dann im
Stile einer pulsierenden Lichtreklame. Christian, so hieß
der Computernutzer wirklich, er versteckte sich nur hinter
den Initialen L. A. die er als Los Angeles deutete, übersah
das blinkende Manöver und setzte sein Stichwortverzeichnis
fort. Es schien ihm ununterbrochen etwas einzufallen, das er
für wichtig genug hielt um es zu notieren. Halt! Das kann
ja nicht wahr sein! Ich sehe den Typ ja, wie er immer wieder
aufspringt, im Zimmer auf und ab geht und sich wieder an den
Computer setzt. Ist das in meinem Virusleben überhaupt
vorgesehen? Überglücklich über die Entwicklungen, die ihm
immer wieder Überraschungen boten, befand Janus, dass er
diese Konstellation nützen wollte. Ich werde mich von den
Befehlen emanzipieren!
Es muss
hier Material vorhanden sein, das meinen Auftraggebern
interessant erscheint, oder wenigstens suspekt. Der
Gefahrenmoment oder die mögliche Nutzbarkeit muss jenseits
herkömmlicher Muster liegen. In den Texten zielt nichts auf
den Umsturz gewählter Regierungen, es werden keine neuen
Religionen in Aussicht gestellt, auch die Anhäufung
materieller Güter wird nicht strategisch vorbereitet, ja
nicht einmal nennenswerte Umverteilungen sind das Thema der
Erwägungen. Auch sexuelle Exzesse scheinen nicht zu
interessieren, zumindest nicht im Zusammenhang mit
Unterwerfung, Gewalt, Verletzung. Das ist ja fast schon
langweilig, seufzte Janus, keine Eitelkeiten, keine Gier,
kein Hunger nach Macht, keine Drogen, keine sexuellen
Besonderheiten und auf den Lohn des Himmels scheint er auch
nicht zu warten! Jetzt will ich erst recht wissen warum ich
hierher gesandt wurde. Ich mache mich selbstständig! Ich
werde Detektiv! Dann schaue ich mir meine Auftraggeber
genauer an schrie Janus ganz laut in Begeisterung über
seine Selbsterkenntnis. Der Poet erschrak - der Computer
stürzte ab - Janus verschwand im Netz.
Editorial
zu Nr. 20 von e-motionArtspaceINTERNETKUNSTZEITSCHRIFT (Jana
Wisniewski ) |