Was hier "Der selbstbewußte Blick" heißt, war der Beginn von Künstlerinnen, sich selbstständig zu vermarkten, ihre Kunst als Brotberuf zu verstehen und auszuüben, was aber wieder wegen der Anschaffungskosten von Atelier und technischer Ausrüstung, sowie einer möglichen Abnehmerschar durch Integration in der "Gesellschaft" nur Frauen aus wohlhabenden Familien möglich war. Der Verweis dass es vorwiegend jüdische Frauen waren, verweist auch weniger darauf, das es sonst keine Intentionen bei Künstlerinnen gegeben hätte, als darauf, dass viel Geld in vielen jüdischen Familien war, der Kunstsinn sich eben nur in Familien entwickeln konnte, die nicht um ihr täglich Brot rackern müssen. Wie dem auch immer sei, Trude Fleischmann war eine erfolgreiche Fotografin mit besonderer Handschrift, gut proportionierter Bildaufteilung, und dem Gefühl für den Schick ihrer Zeit. Der Großteil der Ausstellung besteht aus der Sammlung des Wienmuseums, die Bilder von Trude Fleischmann sind dort aber nicht der "Kunst" wegen gelandet, sondern als Dokumente der Zeit, und auch als solche zuerst einmal entdeckt worden, allerdings wohl nur, weil Anna Auer und Johannes Faber bereits in den 80er Jahren eine Ausstellung ihrer Bilder machten, das aber ohne große Förderung und mit mäßigem Interesse der Öffentlichkeit. In diese Ausstellung sind nun einige andere Fotografinnen der gleichen Zeitspanne, also von 1920 bis zum Krigsausbruch inkludiert, die sicher eine ähnliche Auffassung vom Menschenbild hatten, was nicht heißt, dass das alles besonders progressiv gewesen wäre, oder gar kritisch. Es war wohl eher die Kunst der Anpasung die Trude Fleischmann zum Erfolg verhalf. Sie war auch klug genug zeitgerecht das feindliche Feld zu räumen, 1938 flüchtete sie, und gelangte über Paris und London nach New York, wo sie erneut ein Atelier aufbauen konnte, ihr Wiener Negativarchiv ist allerdings verloren. Da Trude Fleischmann bis 1990 lebte, hätte sich Wien beizeiten um ihre Arbeit in den USA und ein mögliches Archiv kümmern können.